Via Detour – Ueber Umwege

Via Detour – Ueber Umwege / DE
Kuratiert von Maria Hinze und Peter Becker
Baumhaushotel „Robins Nest“ 2022, Witzenhausen bei Kassel
Ein Ausstellungsprojekt,
Text von Laura Helena Wurth

Mitten im Wald zwischen Göttingen und Kassel findet man das Baumhaushotel „Robins Nest“. Zwischen den Wipfeln verfangen, gibt es dort fünf Baumhäuser unterschiedlicher Größe; direkt um die Ecke das verwunschene Schloss Berlepsch. Von Kassel braucht man eine halbe Stunde, ehe man mitten im Wald steht und das Gefühl hat, die Stadt weit hinter sich gelassen zu haben. Anlässlich der documenta 15 werden das Baumhaushotel und der Wald drum herum nun durch künstlerische Interventionen in einem anderen Kontext zugänglich gemacht. Der Großvater von Peter Becker – Projektinitiator von Via Detour und Betreiber von “Robins Nest” – war der Gründer einer der ersten Recyclinghöfe Deutschlands. Dort werden täglich tonnenweise Aluminiumfolien, Kunststoff und Pappe angeliefert und so präpariert, dass sie wiederverwertet werden können. Darum geht es auch bei den künstlerischen Interventionen, die in “Robins Nest” und dem angrenzenden Wald gezeigt werden. Die Idee von Nachhaltigkeit und Weiterverwertung wird in diesem Ausstellungsprojekt konsequent gedacht und umgesetzt. Dabei wird die Kunst nicht ausgespart. Als Ko-Kuratorin dieses galerieunabhängigen Non-Profit-Projekts hat die Berliner Künstlerin Maria Hinze Künstler*innen aus Nordamerika und Europa eingeladen, die ganz unterschiedlich arbeiten. Einige von ihnen sind Bildhauer*innen, andere malen oder arbeiten performativ; alle nehmen die Natur als Setting, einige nutzen analoge Filmmaterialien und -techniken, manche stehen mit einem Bein im Wald und mit dem anderen im Digital Space. Was alle gemeinsam haben, ist dass Musik eine zentrale Rolle spielt und sie verbindet. Sie werden nun für eine Woche in “Robins Nest” leben und gemeinsam Werke entwickeln, die dann im Baumhaushotel und seiner Umgebung zu sehen sein werden. Maria Hinze stellt mit dem ebenfalls beteiligten Christian Jankowski zwei formale Pole dar – sie als abstrakte Malerin, er als Konzeptkünstler. Zwischen diesen Polen entwickelt sich das ungewöhnliche Ausstellungsformat. Der Recyclinghof stellt das Material für die künstlerischen Arbeiten. So treffen die unerwünschten Überbleibsel der Zivilisation auf eine zurückgezogene, naturverbundene Lebensweise im Wald. Diese Gegensätze sind in der heutigen Welt nicht mehr aufzulösen. Deswegen kann und sollte man sie produktiv nutzen. Es geht nicht nur darum, die Kunstwerke aus recyceltem Material herzustellen, sondern auch darum, dass ihr Entstehungsprozess einem Kreislauf zugeführt wird: der Künstler Christian Jankowski wird gemeinsam mit den Künstler*innen eine seiner Filmarbeiten realisieren, die von der Interaktion verschiedener Gruppen getragen wird. Die Beteiligten sind gleichzeitig eigenständige Künstler*innen und Protagonist*innen. Für einen zweiten Film werden Becker und Hinze die Produktion begleiten und ein Zeitdokument und künstlerisches Werk produzieren, das sich zwischen den Individuen, dem Kreislauf des Waldes als Ökosystem und der Verortung des Menschen darin bewegt.

Es entsteht eine Kreislaufwirtschaft der Kunst, die alles verwertet; nie stehen bleibt und sich immer weiterentwickelt.

Laura Helena Wurth