DE /
H: Wir stellen uns die Frage, wie der maximal Fremde uns gegenüber in Erscheinung treten wird. Was hat er uns zu sagen? Was wird er uns fragen? Welche Modelle können behilflich sein, um uns auf unsere Kommunikation mit dem maximal Fremden vorzubereiten? Meine Vorschläge sind, erstens, wir werden mit einem fremden Wesen in Kontakt treten. Zweitens, wir werden auf eine Entdeckungsreise durch das Sonnensystem gehen. Wir entscheiden uns für eine Parallelwelt, eine Gegenwelt oder eine Alternativwelt. Wir werden den Aspekt der Zeitverschiebung besprechen. Wir werden die Existenz eines temporalen und zeitlichen Paradoxons untersuchen. Wir werden uns fragen, was paradoxe Räume sind. Wir werden uns fragen, wie der unauflösbare und unlösbare Wille eines unendlichen Raumes bzw. Weltraums aussieht. Wir hinterfragen die Gefahr der Katastrophe und was danach kommt. Der Rezipient von Science-Fiction braucht einen Wiedererkennungseffekt, genausowie der Rezipient von Kunst. Das Bekannte ist das Interessante. Auch der Autor Huxley zeigt in Brave New World eine facettenreiche Darstellung des zukünftigen Staates, die an Bekanntes geknüpft ist. Als Wunsch- und Idealbild können wir die Utopie in die Nähe mythischer Vorstellungen rücken. Brave New World zeigt ein satirisch verschärftes Bild einer technologischen Variante des American Dream. Die staatliche und gesellschaftliche Ordnung stellt einen oligarchischen Kollektivismus dar. Es wird ein Gegenbild zur Realität dargestellt. Ein anderes Beispiel ist Cyrano Bergerac ́s „Reise zum Mond“. Die Verlagerung des Beobachtungshorizontes in den außerirdischen Bereich bietet die Chance, Grenzen und Möglichkeiten der Vernünftigkeit des Menschen zu beschreiben. Die Furcht vor dem Unbekannten ist eine anthropologische Konstante. Ich komme gleich zu einer Frage. Raymond, was ist das Unbegreifliche?
P: Was ist für mich das Unbegreifliche?
H: Ja, für dich.
P: Ich bin ihm noch nicht begegnet. Ich habe keine Vermutungen, die ich liebte.
Hast Du denn schon einmal UFOs gesehen, oder schon mal Aliens getroffen?
H: Nein.
P: Nein?
H: Vielleicht bin ich ein Alien. Das weißt Du nicht.
P: Nein, das ist wohl möglich. Aber Du hast den Befehl, das nicht preiszugeben? … oder…es muss irgendwie ein Geheimnis in der Luft liegen bleiben…ich weiß nicht.
H: Ich weiß auch nicht, vielleicht.
P: Viele Dinge sind unbegreiflich, aber für mich sind es nicht die Dinge, die sich an einem durchschnittlichen Tag offenbaren. Sie sind eher abstrakt. Man gewöhnt sich an die immer gleichen Dinge, die gleichen Sinneseindrücke, die gleiche Umgebung und es wird normal, und Muster entwickeln sich und man kommt zurecht, ohne tiefgreifende Schocks. Man ist ein Teil …
H: Wo befindet sich der unbegreiflichste Ort der Menschen?
P: Vielleicht innerhalb ihrer Selbst. Selbsterkenntnis oder mit ihrem eigenen Standort zurecht zu kommen. Nicht nur innerhalb der Existenz. Über ihren körperlichen Zustand hinausgehend, das, und die Unendlichkeit und das alles. Aber auch, ihre Rolle zu artikulieren. Nicht, dass man von ihnen verlangt, eine bestimmte Position zu sein, das könnte sich nicht ändern. Aber es gibt so viel Ablehnung und Unzufriedenheit, Klagen über den Stand der Dinge im Vergleich zu allen anderen. Man bewegt sich nicht darüber hinaus…das bedeutet, gefangen zu sein in Positionen und Zuständen. Damit werden diese Abstraktionen der Dinge … man könnte sagen, konkretisiert … Sachverhalte, die wohl von Vornherein nicht bestehen sollten. Wenn man will, dass … wenn man sich unglaublich unglücklich wähnt, weil man nicht am richtigen Ort geboren wurde und auf die richtige Art und Weise großgezogen wurde und die richtigen Dinge getan hat und es gibt alle möglichen Verfolger, die ihre Kindheit und ihren lebenslangen Traum, Astronaut zu sein oder Anastasia, königliche Russische Familie, oder was auch immer…ich kann nur für mich sprechen. Das verrät wohl etwas mehr, als ich beabsichtigt hatte. Naja, diese Beispiele sind mir einfach gerade nur so eingefallen. Vielleicht ein bisschen viel … nein, es ist schon in Ordnung.
H: Was, wenn nichts mehr möglich ist und dafür alles wahrscheinlich wird?
P: Du meinst, wo alles sich irgendwie relativiert und es gibt keine Unterscheidungen mehr zwischen … als lebten wir in einem extrem abgenutzten Zustand von … alles ist gleich, richtig? … langweilig, meinst Du das?
H: Ja, vielleicht …
P: Naja, das kann schon passieren. Ich kenne so einige Leute, bei denen … wo das sehr treffend ihre emotionalen und mentalen Zustände beschreibt. Ich glaube aber überhaupt nicht, dass mir das passieren kann und ich finde es sehr schade, wenn ich sehe, dass es anderen passiert. Das ist ein Mangel an Vorstellungsvermögen und Offenheit so vielen Dingen gegenüber, die es da draußen gibt. Ich meine, ich kann schwierige Zeiten durchleben, aber trotzdem an etwas arbeiten, was ausreicht, um…ich meine, ich habe immer musikalische Begleitung …
H: In Science Fiction werden binäre Welten entworfen. Die Beschreibung von Weltraumschlachten erfordert zum Beispiel ein strenges Schwarz-Weiß Muster. Science Fiction hat sich ein Modell entworfen, welches in weitem Masse sein Potenzial einschränkt. Wie kann man ein Gedankengebäude entwerfen, das zugleich komplex ist und doch einfach bleibt?
P: Naja, das ist nur … Du sitzt momentan in einem drin, und es gibt eine Verbindung zwischen dem Gebäude und dem Gedanken. Es ist wie ein Gedankendeckel, auf eine Art. Ob Buckminster Fuller oder Heidegger…es ist Teil von…Das hier ist ein Ort … weißt Du, ich bin gerade erst in den letzten Monaten hier hingekommen und es ist ein merkwürdige Mischung sich windender, kleiner Räume, ursprünglich war es eine klitzekleine Hütte, eine Strandhütte, vielleicht in den Zwanzigern oder früher, ich weiß nicht … mit der Zeit wurde hinzugefügt und es wurden Dinge verändert und es nahm so eine Art organisches Eigenleben an, fast, könnte man sagen, es veränderte sich mit neuen Umständen und neuen Ansprüchen. Das alles ohne mein Zutun … irgendwie gefällt mir diese Vorstellung…etwas zu akzeptieren, das sich entwickelt hat, das eine Geschichte hat. Das hier ist jetzt kein historischer Ort, kein Denkmal oder so … jeder andere, der sich überlegt hatte, dieses Haus zu kaufen, hätte es bestimmt abgerissen. Und selbst wenn nicht, hätten sie ihm ihren eigenen Stempel aufgedrückt. Sobald man hereinspaziert, überlegt man sich, also, das reiße ich ab, und das reiße ich ab, und alles wird umgebaut. Ich habe einfach nicht dieses Gen in mir, meinen Willen aufzuerlegen und meine Umwelt in dem Maße kontrollieren zu wollen. Nicht, dass das nicht in Ordnung wäre … ihre Selbstbestimmung, na ja, aus ihren Häusern oder einem Ort das Beste für sich zu machen. Aber das wird zum…von da aus ist es ein kleiner Schritt, leider, zu diesem überwältigenden Drang nicht nur die eigene Umwelt zu kontrollieren, das eigene Leben, sondern auch das von anderen Leuten.
H: In Sciene Fiction wird die Welt oft durch Szenarien beschrieben. Der Sinn eines Szenarios ist es nicht als Hintergrund für einen Plot zu dienen. Das Szenario lässt den Helden auswechselbar erscheinen und stellt seine eigenen Bedingungen, welche sich längst der menschlichen Greifbarkeit entzogen haben. Stellt deine Arbeit nicht auch Szenarien dar?
P: Naja, ich glaube schon … meistens innerhalb eines Bildes oder einer kleinen Sammlung von…das ist genauso gut möglich, wie es zu einer längeren Narration zu erweitern. Meistens ist in meinen Zeichnungen etwas los, es gibt einen gewissen Kontext …
H: Manchmal stellst Du eine Ikonographie zeitgenössischer Apokalypse dar. Deine Arbeit ist und bleibt fragmentarisch. Enthält sie eine Verlustangst?
P: Was hat Verlustangst mit dem Fragmentarischen zu tun? Da bin ich mir jetzt nicht sicher…
H: Nehmen wir Hamlet als ein Beispiel. Hamlet verkörpert den grundsätzlichen inneren Konflikt einer Person zwischen ihren emotionalen und intellektuellen Impulsen. Er sehnt sich nach einer widerspruchsfreien Welt. Doch er verstrickt sich immer mehr in Widersprüche. Hier gibt es einen paradoxen Grundkonflikt, den wir alle in uns tragen. Es scheint so, als arbeiten Körper und Geist nach zwei verschiedenen Prinzipien. Wo der Geist trennt, sucht der Körper nach Einheit. Was tun wir, wenn die Prinzipien sich umkehren? Was passiert, wenn der Geist das Unvereinbare als Einheit denken muss? Ich spreche über unseren Wunsch nach Einheit und dass wir an diesem scheitern. Das Gegenteil von Einheit ist das Fragment, vom Ganzen nur ein Teil. Das Fragmentarische bedeutet immer Verlust von etwas.
P: Hmmm … ich habe noch nie …
H: Du hast immer nur einen Teil von etwas … ist dann nicht auch Verlustangst darin enthalten?
P: Du meinst, in meiner Arbeit?
H: Ja, und in dir. Was können wir gewinnen, wenn wir verlieren?
P: Naja, ich arbeite in Schritten, in kleinen Abschnitten … aber das ist auch nicht anders als, zum Beispiel, ein Buch, das aus einer Ansammlung von Seiten besteht, oder Szenen oder ein Film, auf die Art eben. Man hat selten … sagen wir mal, selbst wenn Du einen Tag in Echtzeit abbildest, ich meine, einen Tag im Leben eines Menschen … da gibt es so viele … es gibt sowieso keinen sicheren Zustand unveränderter Ganzheit … man könnte sagen, in der Literatur von Proust, der Wille, sein eigenes Leben und die Zeit zu ordnen, in ein allumfassenden…ich meine, nicht allumfassend, er war sich darüber auch im Klaren…Ordnung in die Vergangenheit zu bringen, zu heiraten, die Veränderung der eigenen Sensibilität und Wahrnehmungen und das Wachsen und auch über alle um einen herum…man hat Charaktere, die sich mit der Zeit verändern und älter werden, und die eigene Sensibilität. Oder Joyce, in vielerlei Hinsicht ähnlich, er hat versucht, das Irische zu definieren oder daraus einen Sinn zu machen, die Position des Irischen, seine Zeit…aber die eigentlichen Werke, die können gleichzeitig genauso fragmentarische sein. In anderen Worten, Ganzheit ist eigentlich bloß eine Sammlung von Einzelteilen. Das ist ein Grund, warum mich die gewöhnliche, christliche Auffassung vom Himmel nie gereizt hat, also das christliche Jenseits. Denn seine eigene Persönlichkeit, sein eigenes Wesen, für eine größere Sache aufzugeben, der Einswerdung mit Gott, und unendlichen Frieden zu erlangen. Das ist etwas, was ich in dem Maße, in dem ich es zu begreifen imstande bin, das ist nicht etwas, was ich mir aussuchen würde. Das Aufgeben von Persönlichkeit oder Charakter ist nicht etwas, worauf ich mich freuen würde.
H: In der Geschichte der Erdbewohner löst eine Haltung gegenüber der Welt die nächste ab. Ob wir optimistisch im Angesicht der Zukunft sind, oder ob uns ein Katastrophenszenario prophezeit wird, wir glauben es, weil wir es nicht begreifen können…Ich mag Stanislaw Lem, kennst Du den Futurologischen Kongress?
P: Das habe ich, glaube ich, nicht gelesen. Ich habe Solaris gelesen. Wann hat er den Futurologischen Kongress geschrieben?
H: In dem Roman „Der futurologische Kongress“ beschreibt der Autor eine Umstülpung der Maske, er beschreibt eine Verschiebung der Maskierung. Das bedeutet, die Maske liegt nicht mehr auf dem Gesicht, sondern hinter dem Gesicht. Der Beobachter sieht die Wirklichkeit als Maske. Die Maske produziert Ungewissheit.
P: Du meinst, sie betrachten sich selbst?
H: Unter der Wirkung der Droge Maskone sieht der Beobachter die Welt als maskierte und manipulierte Wirklichkeit. Die Maske ist so etwas wie ein begehbares Raumbild. Die Vorstellungsbilder sind manipuliert. Sie werden zu neuen Innenansichten. Der Mensch tritt als reale Wesenseinheit in den Hintergrund. Die Bilder brauchen die Welt nicht mehr. Sie funktionieren ohne die Wirklichkeit. Dahinter stirbt die reale Welt ab. Ohne Realität ist auch die Illusion nicht mehr möglich.
P: Es gibt so eine Droge in Rave Clubs und es …
H: Nein, das ist nur eine Geschichte, eine Science Fiction Geschichte!
P: Nein, aber Lem war sehr involviert in psychedelische Drogen, ich glaube, er hat sie sogar verbreitet, und das muss eine der Drogen gewesen sein, mit denen er in Osteuropa zu tun hatte … ich weiß nicht, wie sie heißen, wie nennt er sie in seinem Buch?
H: Maskone.
P: Hmmm. Ich frage mich, ob das der Umgangsname ist oder der gängige Name oder… gibt es eine pharmazeutische Firma, die so heißt?
H: Keine Ahnung, vielleicht ist es auch nur die deutsche Übersetzung. Würdest Du jetzt gerne den maximal Fremden treffen?
P: Ist er denn hier?
H: Ja, vielleicht. Unter der Couch.
P: Ach ja, da sehe ich ihn! Kennst Du Callarme? In seiner Science Fiction geht es um Indianer und Cowboys. Die USA wurden gegründet durch…sie dachten, sie wären auf dem falschen Weg. Die amerikanischen Indianer waren die Ureinwohner. Wenn man weit genug in die Vergangenheit zurückgeht, hat man alle diese weitreichenden Verbindungen … schau dir die Mayas an, alle diese antiken … Ezekiel, die Kampfwagen. Man könnte denken, es liegt an den UFOs und solchen Besuchern … Aber Du hast nie eins gesehen, oder eine Begegnung gehabt? Mit UFOs?
H: Ich? Naja, du musst wissen, ich bin kosmischer Optimist.
P: Ist das eine Religion?
H: Nein, das ist kein Witz!
P: Nein, ich weiß einfach nicht, was kosmischer Optimismus bedeutet …
H: Naja, es gibt da einige Theorien…
P: Terroristen?
H: Leibniz for example…
P: Jaja, ich weiß, aber ich habe noch nie gehört, dass man sie Terroristen genannt hat. Philosophen, aber…was meintest Du?
H: Theorien…
P: Ach so, entschuldige, ja, Theoretiker…
H: Zwischen dem Nichts und dem Allem eröffnet sich die Unendlichkeit der Erde, wenn man diese als Stern sieht. Die Erde ist nicht die Welt. Das Augustinische „Nichts als Gott und die Welt“ sind abstrakte Kategorien, um das unendliche Weltall zu beschreiben, das in menschlicher Verantwortung liegt. Wäre die Erde ein Stern unter anderen Sternen, hätten wir eine andere Weltgleichung. Glaubst Du, wir können die Erde in einen Stern verwandeln?
P: Ich verstehe nicht, inwiefern dieses Konzept einen Unterschied macht. Ursprünglich war es dem Staat oder der Kirche oder den Mächten sehr wichtig, dass die Erde das Zentrum des Universums oder des Sonnensystems ist. Das, hatte einen kosmologischen Effekt, der auch psychologisch war. Aber ich verstehe nicht wie, wenn wir die Erde als Stern betrachten würden, wo wäre da der Unterschied?
H: Wir befinden uns auf dem Raumschiff Erde. Jede unserer fantastischen Reisen zeichnet auch Wege in uns, selbst dann, wenn die Reise uns auf den Mond führt. Mit der Erweiterung unserer astronomischen Vision ist die Diskrepanz zwischen der Verantwortlichkeit für die Welt und der Verachtung der Welt größer und größer geworden. Und das ewige Schweigen des Alls … Gott ist nicht auffindbar, denn das Schweigen spricht bloß von der Unfähigkeit zu Lieben. Seit Anbeginn menschlichen Daseins dreht sich der Mensch nur um sich selbst. Leben und Tod, jedoch, herrschen im gesamten Kosmos. Wer kann mir beweisen, dass die Mondeinwohner sich nicht in Luft auflösen? Aus der Explosion des Schlamms Erde entstehen Teilchen des explodierenden Universums und das kristallene Weltall wird durch die Zeit zertrümmert, verwandelt in eine Welt von Wissenschaft und Arbeit. Jetzt sind wir hier. Mit den Instrumenten der Kommunikation entfaltet sich die Welt grenzenlos über den Himmel. Darum geht es, vielleicht verstehst Du mich jetzt. Es gibt ein paar Theorien, wie die von Galileo. Vielleicht haben sie der Erde verboten, ein Stern zu sein. Vielleicht macht das die Erde einsam und konfrontiert den Menschen mit dem leeren Schweigen des Alls. Laut Pascal entfaltet sich die Unendlichkeit des Sterns Erde zwischen Nichts und Allem. Aus astronomischer Perspektive ist die Erde nicht die Welt.
P: Ja.
H: Zum Beispiel Veronesi, der italienische abstrakte Maler…
P: Abstrakt?
H: Ja. Luigi Veronesi…er spricht von einem kosmischen Universalismus…wenn man es so interpretieren möchte … Der kosmische Optimismus ist kein abstrakter philosophischer Wahn, sondern die Reflexion über eine bestimmte Form menschlichen Handelns. Sicher ist das Wesen zwischen Nichts und Allem ein Prozess des Arbeitens und des Forschens. Sicher geht es hier nicht nur um Spekulation. Darum frage ich, ob wir kosmische Optimisten sein können … Denke nicht, dass ich verrückt bin!
P: Nein, das denke ich nicht.
H: Vielleicht, bei der Frage was ist menschlich, sollten wir fragen: was passiert auf dem Stern Erde? Was würde auf der Erde passieren, wenn das wissenschaftliche Bewusstsein sie in einen Stern verwandeln würde? Was würde auf der Erde in dem Moment passieren, in dem sie so groß und weit wird, wie sie die Kraft hat, es sich vorzustellen? Kann die neue Erde einem neuen Himmel entsprechen? Was denkst Du?
P: Naja, ich glaube nicht, weil ich glaube, dass es von der Erde kein Entkommen gibt. Und alles, welches diesen Versuch unternimmt, wo es möglich wird, beispielsweise, auf den Mond zu fahren, oder auf den Mars … das ist abhängig von Technologien, die beinahe unvermeidlich bereits das Todesurteil der Erde besiegelt haben. Von der Zeit der atomaren Spaltung, Nuklearbomben, wo Technologien entdeckt wurden und praktisch umgesetzt wurden für Waffen und Macht. Wenn eine Zivilisation einmal an diesem Punkt angelangt ist, glaube ich, es ist sehr unwahrscheinlich, dass man…die Zeitspanne von dem, was im letzten Jahrhundert geschehen ist, ist so minimal verglichen mit der Evolution selbst des Homo Sapiens, der Menschen … und davor, der anderen Lebensformen auf der Erde. Es kann so vieles schief gehen, einfach nur aus Versehen oder aus Absicht…wenn man einmal diese riesige Menge konzentrierter Energie und Macht hat, zerstörerische Macht…ob es bloß in einer Hand liegt…das war schlimm genug, vor allem wenn man…wenn diese eine Hand … das Moderne, die letzen hundert Jahre und mehr, zumindest, die zerstörerischen Agenten…Du weißt schon, die US-Regierung… das auswärts Suchende…es ist wie Star Trek, und Science Fiction, vieles davon dient als Muster, um die amerikanische imperialistische Unternehmung zu beschreiben, und die Ausdehnung davon auf unterschiedliche Universen. Da ist schon ein Reiz dran … ich finde es toll, einen Entdeckungssinn zu haben und seine Erfahrungen erweitern zu wollen und Neugierde, die Kenntnis verschiedener Welten und so…das geht weit zurück…Aber es ist eine Sache, neuen Erfahrungen gegenüber offen zu sein, und eine andere, anderen den eigenen Willen auferlegen zu wollen. Nein, was die Zukunft betrifft, bin ich überhaupt kein Optimist.
H: Wie gehst Du als Mensch und Künstler mit deiner Verantwortung für die Welt um? Es geht um das „Wie“ und das „Was“ der menschlichen Praxis…!
P: Da bin ich gar nicht dagegen … nur ein Großteil davon ist leider nur ein persönliches, therapeutisches…das hat negative Konsequenzen…sie verstehen nicht die…viele Menschen, die die Welt retten wollen, verstehen die Komplexität der Welt nicht …
H: Vielleicht ist das ein Unterschied, zwischen einer Verantwortung für die Welt und der Rettung der Welt. Findest Du nicht, dass es da einen Unterschied gibt?
P: Ja, klar. Es ist ein bisschen wie das, was ich vorhin meinte, wenn man diese Ambition hat, die Welt zu retten, das ist fast das Gleiche, wie die Welt umgestalten zu wollen, die Welt im eigenen Abbild verändern zu wollen. Nehmen wir an, wenn Du dir die Erde in den letzten fünf, zehn Jahren der amerikanischen Interventionen anschaust, Irak, Afghanistan und anderswo, wenn wir mal sotun, als wären das alles sehr Wir-Retten-Die-Welt Art von Leuten, sie wollen bloß Liebe und Demokratie verbreiten. Nehmen wir das nur einfach mal an, obwohl es Unsinn ist … das macht es auch nicht besser. Wenn jemand dieses verrückte Verlangen hat, seine Liebe für alle zu zeigen und zu verbreiten und die Art und Weise, wie er es tut, ist durch seine eigene, subjektive … so wie er es sieht, ist es einfach toll, einfach diese wunderbare Tat für alle zu vollbringen, aber tatsächlich zerstört es…also…meinst Du, ob ich eine Verantwortung habe, die Welt zu verändern?
H: Vielleicht nicht die Welt zu verändern …
P: Oder sie zu retten …
H: Nicht zu retten, …
P: Ich glaube, das kann man tun, indem man einfach ein gutes Beispiel gibt und nett ist zu Menschen und sie nicht verletzt … verdammt, das ist wunderbar, das ist ausreichend!
H: Du arbeitest mit einer Bildsprache, der eine besondere Systemreferenz zueigen ist. Diese wandert von Zeichnung zu Zeichnung. Im Ganzen ist deine Arbeit als eine Sprache zu verstehen, die Verständigung ermöglichen kann, sich aber auch als Zeichen von Sprachlosigkeit und als Ausdruck des Verstummens entpuppen kann. Muss das Kunstwerk kritisch sein? Bevorzugt das Publikum eine künstlerische Arbeit, die eine erkennbare Form von kritischer Arbeit leistet?
P: Nicht unbedingt. Wie ich schon meinte, ich gehe darüber hinaus, ich machte Kunst, die, zumindest manchmal, kritisch ist. Aber ich glaube nicht, dass Kunst das unbedingt sein muss …
H: Oh, mir ist kalt … könntest Du das hier mal kurz halten?
P: Willst Du eine Decke oder so…? Die Heizung funktioniert hier nicht…ja, aber hier ist ein kleines …
H: Ist dir nicht kalt?
P: Ja, naja, heute … ja, in letzter Zeit schon … aber normalerweise wird mir nicht so schnell kalt … hier, das könnte helfen …
H: Vielen Dank.
P: Willst Du einen Pulli oder so?
H: Nein, jetzt geht es schon, danke. Warum sind unsere Zivilisation und ihre Technologie ihrer Ethik davongelaufen? Ist es weil unsere Moral nutzlos ist? Vielleicht ist sie nutzlos, wenn man sich all unsere Fortschrittsbemühungen anschaut? Extreme Medienaufmerksamkeit und übermässiger Konsum von Information und anderen Substanzen füllen unsere Gehirnzellen. Hier zeigen sich das menschliche Bedürfnis nach Dasein und die menschliche Angst vor der Leere. Wo kommt unser starkes Bedürfnis nach Fülle her?
P: Wie war nochmal der erste Teil?
H: Wir leben heute in einem Krieg der Zeichen. Wie in einem großen ornamentalen Geflecht, wie in einem großen Netz. Null, eins, null, eins, ist auch wie ein Ornament der Zeichen.
P: Was heißt Null Eins?
H: Ich glaube, jedes einzelne Zeichen verliert heute seine Bedeutung in unendlichen Ketten und in Informationsnetzwerken.
P: Semiotik? Es wird überwältigend…dass es bloß das Abbild der Dinge ist, anstatt die Sache selbst?
H: Wir lernen vermehrt, Botschaften als Abweichungen von Mustern zu lesen. Weil die Welt so groß ist und alles uns erscheint wie ein Muster. Vielleicht liegt es daran, dass so viele Künstler in Mustern malen, ich weiß nicht. Oder es ist Mode! Wir befinden uns in einer Welt voller Information, die sich in alle ihre Wipfel ausbreitet und auch ins Weltall. Vielleicht ist die Frage, wenn wir uns in diesem Informationsstrudel befinden, ob wir nach so etwas wie einer Rettung suchen müssen? Wenn wir das sehen, können wir uns das Konzept des Sich- Errettens anschauen, wie es für die gesamte Moderne von Bedeutung ist. Wenn Du heute Kunst betrachtest, wie ein endloses Feld der Formen, glaubst Du, dieses kann so etwas wie eine Rettung bedeuten?
P: Eigentlich nicht, nein, für mich ist das kein Problem. Dieses Argument gibt es schon seit langem in der Geschichte, insofern, dass jede Generation sich bedrängt und überwältigt fühlt durch neue Arbeiten und neue Bilder und Information … und so verbrannten sie die Bücherei von Alexandria … oder, zum Beispiel, lass uns frohlocken mit der Bücherverbrennung, oder…gegen die Verteilung und Verbreitung der schriftlichen Sprache, oder der Druckerpresse. Ich sehe auch gar nicht so viele Leute, die überhaupt in der Situation sind, darüber besorgt zu sein – es sei denn, es geht um ihre 500 Fernsehsender und sie können sich nicht entscheiden, welchen sie sich anschauen möchten …
H: Das ist ein bisschen wie ein Ornament, weißt Du?
P: Ja. Das ist in Ordnung.
H: Findest Du das okay, ich weiß nicht?
P: Naja, für mich ist es nicht in Ordnung … Dieses Argument wird in der Kunst benutzt, die Leute, die dieses Argument anführen, wie viele von ihnen schauen sich jemals eine Arbeit oder die von vielen anderen Leuten an … und sie regen sich darüber auf, denn wenn irgendetwas sich verändert, ist ihre Autoritätsposition bedroht. Natürlich wollen sie, dass die Dinge so bleiben, wie sie in ihrer Hochzeit waren, in ihrem bestimmenden Moment, ihrem Coming- Of-Age wie mit ihrem kritischen Standpunkt. Dinge wie das Internet, zum Beispiel, oder jegliche Vielfalt des Kunstschaffens ist eine Bedrohung. Jede Generation macht das durch. Das hat für mich überhaupt keinen Reiz, dabei bin ich überhaupt nicht…ich meine, in meinem persönlichen Leben bin ich technologisch so zurückgeblieben…und, wie ich meine Kunst mache, alles mache, könnte genauso gut in prätechnologischen Zeiten sein. Aber ich brauche keine billigen neuen Reize oder Sensationen oder irgendeine Sucht oder so. Aber, sobald man die Position einnimmt, dass das böse und bösartig ist und sobald man anfängt, dass zu kontrollieren, das ist eine sehr negative, schlechte Sache. Man lässt verdammt die Finger von Dingen, die sich in einer Komplexität entwickelt haben und über lange, lange Zeit entstanden sind. Ein größeres Problem ist wohl amerikanische Gewalt und das Exportieren von Gewalt und Tod an so vielen Menschen, jahrein, jahraus. Und wenn man einmal diese regierende Gewalt einführt, anderer Leutes Vorstellung von Kultur zu kontrollieren…so in diesem Sinne…dann erlaubst Du diesem riesigen militärisch-industriellen System, dieser überwältigenden Regierung, die für ihre Pläne einer vollkommenen Beherrschung der Welt kämpft… ihre Achillessehne, das sind so kleine Bomben am Wegesrand. Leider beweist das die Gewalt der Gesellschaft als Ansammlung unabhängiger…auf eine Art und Weise, der Selbstbestimmung, zumindest, als Teil von Familien, Klans, was auch immer. Es stellt sich heraus, dass es nicht so einfach ist, das einzudämmen, das zu kontrollieren. Ich hoffe…es verwurzelt sich nicht…so ist es in Vietnam passiert und woanders. Leider geht es jetzt immer noch weiter…bis hin zu seiner vollkommenen Loslösung von der Realität…Nicht nur, dass es keinen Erfolg hat, es ist von Vornherein etwas Böses, meiner Meinung nach. Es macht mein Leben nicht kaputt, das Wissen, dass es heute, in diesem Moment, sogar in der Nähe, Menschen gibt, die an anderen Dingen interessiert sind als ich. Und ich spreche hier persönlich nicht als das große, kosmopolitische Vorbild in allen Dingen, das bin ich selbst auch nicht. Es gibt Spezialisierung, die eigenen Sachen, die man gut kann oder die man mag oder die eigenen Vorlieben, das ist völlig in Ordnung, das ist normal.
H: Man sagt oft, Du stellst die „Tragédie Humaine“ dar. Die Tragödie unserer Zeit ist die Gefahr der Auflösung des Individuums. Ist Synthese und Wiedervereinigung von Fragmenten das Ziel des modernen Künstlers und Dichters? Zum Beispiel, die Grundstimmung der Tragödie sagt uns, dass die Welt in fragmentierte Individuen zersplittert ist, die sich nach Einheit sehnen. In der Tragödie Elektra stehen die Angst, der Schrei, die Selbstopferung und der Akt des Sich-Opferns im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Die Vorstellung des Opfers ist verbunden mit der Vorstellung einer Vorwärtsbewegung und eines neuen Menschen. Der Mensch sucht nach seiner eigenen Identität und die Probleme des handelnden Menschen sind deutlich. Es ist notwendig, zu handeln, aber der Handelnde wird stets schuldig sein, egal, was er oder sie tut. Deshalb wird die Tragödie niemals enden. In der Tragödie und in der Parodie der Tragödie sind die Affirmation und die Negation des Lebens vergleichbare Gegenteile. Es wird eine geteilte Welt gezeigt, also kann die tragische Existenz nicht nur mit individuellen Leben in Beziehung gesetzt werden, sondern auch mit ganzen Äras und Kulturen. Vielleicht ist das hier eine rhetorische Frage. Kann die Tragödie einer Ära oder einer Kultur als schicksalhaft betrachtet werden?
P: Vorbestimmt …? Schicksalhaft, Du meinst es wird, so sein, also ist es so?
H: Ja. Du schreibst so etwas wie eine „Tragédie Humaine“. Ich will Dich zur Tragödie befragen. Was ist mit der fundamentalen Frage von Schuld und Verantwortung? Zum Beispiel bei Ödipus? Warum scheitern wir an der Duplizität der Erscheinungen? Ist unser Trugschluss, dass wir das Offensichtliche für das Wahre halten? Ödipus setzt das Erscheinen mit dem Sein gleich. Er lebt das Paradox, indem er sehend blind ist. Wie gehen wir mit Schuld um, die so nicht beabsichtigt war? Ist Tragödie die Erfüllung des künstlerischen Mythos selbst? Okay, nächste Frage. Betrachtest Du den Mythos als pathologisches Problem?
P: Naja, das ist ein bisschen zu ungenau. Könntest Du das etwas mehr erklären?
H: Ja, zum Beispiel in der Aufklärung wurde der Mythos als Depot für unterdrückte animalische neurotische Instinkte kritisiert. Jung behauptet, dass mythische Archetypen von einem kollektiven Unbewusstsein abgeleitet werden können, als Elemente, die zum Beispiel die Persönlichkeit strukturieren. Deshalb frage ich, wo prallt der Mythos mit dem Konzept der Vernunft zusammen? Wie eng ist eine kulturelle Bewegung oder der kulturelle Horizont von Mythen umgeben? Haben wir es hier mit einem pathologischen Problem zutun? Führt ein neuer Mythos immer zum gleichen Dilemma, für das er als Lösung dienen sollte?
P: Naja, sie sind immer da. Das Bewusstsein ihrer, sie aus einer Distanz zu analysieren und das Sein ist eine andere Sache. Ich weiß nicht wirklich, wie man es trennen könnte und sagen könnte, es ist pathologisch. Ich meine, was ist die Alternative, ein vollkommenes Wissen zu haben, Selbsterkenntnis, keine Illusionen…was ist denn überhaupt ein Mythos? Ein Mythos kann so etwas wie ein Schleier der Ignoranz sein oder Falschheit, in der man lebt, oder es kann etwas sein, das erklärend ist, oder durch metaphorischen Gebrauch, oder allegorischen Gebrauch, oder von einem Argument oder einer Art, die Dinge zu betrachten. Es ist hilfreich oder eine anderer Blickwinkel, Dinge zu betrachten…oder bloß das eigene Vergnügen, weißt Du, vielleicht literarisches Vergnügen oder damit Sachen interessant bleiben. Man muss dem nicht Glauben schenken, man muss wirklich nicht alle Dinge glauben…sie können aber nützlich sein. Ich glaube nicht, dass es so ein Verbrechen ist … ich will das alles nicht entblößen und die Realität erzwingen. Realität, was ist das? Ich meine, jeder Positivist,…weißt Du, völliger Realismus, das sind bloss neue Arten von Täuschungen. Vor allem wenn man dieses Alles oder Nichts hat, oder schwarz und weiß, Cartesianisch, binär, was auch immer, man muss nach dem eigenen Urteil gehen.
H: Glaubst Du, dass das Denken in binären Strukturen auf eine Art und Weise utopisch sein kann? Ist es heutzutage nützlich, in binären Strukturen zu denken? Temporäre und binäre Bedeutungsmuster verschieben sich und werden destabilisiert. Warum denkt der Mensch binär? Kann man heute noch in Dualismen denken? Was glaubst Du?
P: Ich glaube, in diesem Stand unserer Evolution, unserer Entwicklung, unserer Gesellschaft, dieser Kultur…
H: Brauchen wir es?
P: Nein, ich hoffe nicht. Ich glaube nicht, dass es eine gute Sache ist. Was mich so abstößt, ist dieses absichtliche Herunterspielen, könnte man sagen, des öffentlichen Arguments, die Medien, oder sogar, was man im Büro so sagt oder sogar im eigenen Heim, das … und die Nachrichten-Medien in diesem Land und die mit Absicht mitmachen bei diesem „wir gegen die anderen“, und … es es geht sogar darüber hinaus – dass man kein anderes Argument zur Kenntnis nehmen soll…weil es nicht in ihrem Interesse ist. Wenn sie überhaupt zugeben, dass die Dinge nicht genauso sind, wie die Regierung es vorgibt, dann verlieren sie den Kontakt mit den Regierungsmitgliedern, sie verlieren ihre Öffentlichkeit, sie verlieren Geld, und Macht, und Prestige … es ist so einfach, das amerikanische politische System zu erkaufen, es ist lächerlich. Ich meine, wenn Du dir die kalifornische Politik anguckst, die wird ausgerechnet von der Prison Guard Union geführt. America…wirklich, der wachsende Industriezweig in diesem Land ist das Gefängnissystem. Als Thema ist es eigentlich überhaupt nicht existent. Es ist kein beliebtes Thema, bei keinem, rechts, links … die Leute, die in den Medien eine Stimme haben, sehr wenige von ihnen waren jemals selbst im Gefängnis oder kennen jemand, der im Gefängnis war. Auf der anderen Seite wächst man in einer schwarzen oder Hispanic Nachbarschaft auf oder einer Familie und hat natürlich, viele von uns die eigenen Geschwister Vater, Mutter. Die werden einfach klammheimlich weggesperrt oder hingerichtet oder brutal behandelt, tagein, tagaus. Auf nationaler Ebene ist es noch erschreckender, dass die amerikanische Aussenpolitik … naja, es gibt eigentlich keine amerikanische Aussenpolitik … noch nicht mal Israelische Aussenpolitik…weil alles, was dort passiert, nicht nur in jüngster Vergangenheit, sondern schon…seit dem Palästinischen-Israelischen Problem, das weit, weit zurückgeht…aber nach jeglichem Realitätsmasstab. Das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, für Israel als ein Volk und den Nahen Osten … Weißt du, von langfristigem Überleben zu sprechen, oder auch nur Überleben des Menschen auf der Erde, da gibt es keine Garantie von keiner Ära. Die Mentalität zu haben, zu unterdrücken…Gewalt jeglicher Art auszuüben, und dann zu denken, dass man das mit einem ganzen Volk machen kann, mit ihren Familien oder Familiennetzwerk, Freunde, Kumpels, Nachbarn … und sie zu objektivieren, nein, nicht mal zu objektivieren, einfach mental auszulöschen … das Wichtige ist, dass man deutlich sagt, ich stimme dem nicht zu, ich akzeptiere es nicht und verteidige es nicht, dass wenn man Konflikte Tür an Tür hat, schlimme Dinge vor sich gehen … ich bin nicht der der Typ, der Fehden mit irgendjemand haben würde, mit Nachbarn oder wie auch immer, das ist eine Sache. Aber wenn man ein Land hat auf der anderen Seite der Welt. Die USA müssen nicht Tür an Tür mit diesen Konflikten leben. Amerika hat sich immer schon bequemt, Bomben zu exportieren, von hoch oben Bomben zu werfen, und hat keine Rückschläge zuhause, und schickt Generationen, in regelmäßigen Abständen, junger und ignoranter und armer oder ahnungsloser, oder verirrter und von ihrem Leben und ihrer Zukunft betrogenen…es ist wie mit dem Gefängnissystem, es geschieht so im Untergrund, keiner in der Politik kennt oder hat ein Familienmitglied im Militär, also gibt es da auch keinen Dissens. Der einzige Grund, weshalb es in Vietnam einen gab, wo es ganz anders ablief, war weil man da noch den Wehrdienst hatte und man hatte in gewisser Hinsicht…obwohl, damals, da gab es so viele Schlupflöcher, selbst da war es nicht so schwer, da raus zu kommen … wenn so ungefähr jeder in der Politik, selbst libanesische Kongressmitglieder, oder Leute, die ethnisch…zur Befürwortung verpflichtet sind, weil es politisch gesehen unmöglich ist, dagegen zu sein, so wie mit der Zerstörung des Libanon, oder…und alle diese Südstaatler und Rechten, naja, links-rechts, es ist das gleiche, die alle im Privatleben zutiefst – es gibt Ausnahmen, aber zum größtenTeil – antisemitisch, in ihren eigenen Meinungen, und gleichzeitig unterstützen sie die extremsten Formen von militärischem … und Terror gegen den Libanon, gegen Palästina, usw. Denn amerikanische Politik, amerikanische Demokratie ist so leicht zu erkaufen, dass man Lobbyistenvereine hat, die Sonderinteressen verfolgen, die sich auf ein Anliegen konzentrieren und alle ihre Ressourcen mobilisieren können. Es bedarf nicht viel, um das gesamte System zu kaufen. Es gibt wirtschaftliche Interessen, naja, vielleicht nicht in dem Gebiet, Aussenpolitik…es gibt Agrarsubventionen und so weiter…obwohl auch die anderswo Auswirkungen haben. Dramatische Auswirkungen sogar, dass viele Menschen zu Tode verhungern deswegen.
H: Ja. Okay. Danke. Lass uns zur nächsten Frage kommen. Ich spreche nun von der Verzerrung der Wirklichkeit. Verzerrung ist eine grundsätzliche künstlerische und vor allem literarische Form der Präsentation. Sie ist verbunden mit den poetologischen Kategorien der Parodie und der Satire. Eine Konzeption von Systemen, Konventionen und Traditionen ist ihre Basis und menschliche Wahrnehmung heute wird mehr und mehr automatisiert. Wir reduzieren die Fülle des Lebens auf flüchtige Muster. Ist es die Rolle der Kunst, diesen Automatismus zu stören? Wir erreichen dies, zum Beispiel, indem wir künstlerische Irritationen erschaffen. Die Sache wird aus ihrem gewohnten assoziativen Muster gerissen. Der Dichter, beispielsweise, extrahiert einen Begriff aus einem assoziativen Muster und setzt es in ein anderes Bedeutungsmuster. Ich glaube, deine Arbeit ist auf eine Art ähnlich. Du erweiterst deine Sprachbilder durch die Zeichnung, erschaffst so etwas wie eine Synthese aus gefundenen Texten und Bildern und kreierst daraus etwas Neues. Eine Möglichkeit für die Art und Weise, wie Verzerrung funktioniert, ist durch ästhetischen Schock. Glaubst du, dass der Wahrnehmungsprozess nur einen Selbstzweck darstellt?
P: Naja, ich glaube, dass all das wahr ist, aber ich denke, in letzter Zeit ist mit meiner Arbeit etwas passiert, und auch im Vergleich zur Realität, wie man sie uns zu glauben vorgibt, die größeren Medien, zum Beispiel, die realitätsorientierte Gemeinschaft, was auch immer. Es reicht nicht, zu sagen, dass ich Satire oder Parodie davon mache oder die Realität mit ein paar Eigenheiten und Schocks darstelle. Denn, was passiert ist, ist, dass die Nachrichten-Medien, die Realitäts-Produzierer, die New York Times, die Washington Post, jede andere existierende Zeitung, das sind die Karikaturen, die handeln von Cartoons oder schlimmer, die künstlerischste Version, von, beispielsweise, der Realität…Strichfiguren, und mehr noch als Karikaturen und Cartoons, denn die haben ein subversives Element des Kritischen. Sich aufrichten, sich hochbauschen und eine Farce aus pompöser Respektabilität, zum Beispiel, wenn es um den Boden der Wirklichkeit geht…die Nachrichten-Medien hier sind zu so einer einfältigen Karikatur geworden, ohne den Humor und dem subversiven, kritischen Element. Ein Großteil meiner Arbeit, es ist wie eine Art Steno, denn…wenn ich an einer Zeichnung arbeite, sagen wir mal, das ist eine primitive Repräsentation von dem, was man behaupten kann… dann ist es irgendeine Nachrichtenmitteilung oder eine Nachrichtenartikel oder…ich habe keine Entschuldigungen für die Formen, in denen ich arbeite und keine Qualifikationen oder…aber bei mir handelt es sich um Reportage, Information sammeln und Kommunikation…einfacher nur Information … mehr, als es beim amerikanischen Journalismus der Fall ist.
H: Aber vielleicht tust Du auch mehr, weil …?
P: Nein, das ist es genau, was ich sage … natürlich tue ich das. Ich meine, in Amerika sollen die Leute, zum Beispiel keine Särge, die nach Hause gebracht werden, sehen. Allein schon, dass man zum ersten Mal einen Sarg zeichnet, allein schon das, ohne Kommentar, ist eine Grenzüberschreitung, und eine Preisgabe von Information, die nicht preisgegeben werden sollte.
H: Okay. Also, die Verzerrung von Konventionen ist ein beständiges Mittel so- zialer Kritik für den Dramatiker.
P: Ja, aber ich verzerre die Konvention bei weitem nicht in dem Grad, in dem es die vermeintlich legitimen Nachrichten-Medien tun – überhaupt nicht! Ich meine, was ist mehr Verzerrung, absichtliche Verzerrung, als …
H: Aber da ist so etwas wie ein Widerspruch. Den gibt es im Text, und zwischen dem Text und dem Bild. Der geschriebene Gedanke wirkt bei dir wie ein Phantom. Die Zeichnung erscheint manchmal wie dessen Paradox. Beide zusammen ergeben ein paradoxes Sinnbild. Der Text zum Bild erscheint bei dir oft als dessen Antithetik. Wem gehört deine Stimme?
P: Ja, gut, es gibt viele rhetorische Mittel, die in meinen Zeichnungen zustandekommen. Aber die allgemeine Tendenz ist eher Richtung Realismus, in Wirklichkeit, wenn man sieht, worauf es ankommt. Denn mit einer Gesellschaft, die eingeschlossen und regiert wird – ihre Kommunikation … weißt Du, die sowjetischen oder faschistischen totalitären Staaten, wo alles eine Phantasie der totalen, äußersten … und jeder, der die Propaganda oder was auch immer liest, weiß das, also liest man zwischen den Zeilen. Man erlernt diese Fähigkeit zur…diese kritischen Fähigkeiten, im Idealfall. Einem Großteil der breiten Öffentlichkeit gelingt das nicht Es gibt immer viel Ignoranz und Faulheit und all so was… willentliche Aufhebung der Ungläubigkeit.
H: Betrachtest Du dich selbst als Außenseiter?
P: Ich weiß nicht … dieser Terminus ist mir irgendwie unbehaglich. Ich will weder das eine noch das andere sein …
H: Fühlst Du dich involviert, oder betrachtest Du die Dinge von außen?
P: Involviert, meinst Du im Sinne einer Mittäterschaft?
H: Ja, vielleicht.
P: Naja, wenn Du meinst, dass ich ein Teil des Systems bin, weil … also, normalerweise weiß man, wohin das führt, all diese strengen Konnotationen, das heißt, dass man als Künstler in einer politisch aktiven Gruppierung oder einer kommunalen Sache oder all diese ineffektiven, karriereorientierten, eigentlich therapeutischen Ausreden für…gleichzeitig Ineffektivität und hintenrum die Einschüchterung.
H: Du setzt Zeichen zwischen Macht und Machtlosigkeit. Die Machtlosigkeit scheint die Bedingung der Zeichen zu sein. Wie behältst Du eine kritische Distanz? So dass Du deine fragmentierten Geschichten davor bewahrst …
P: Du meinst, ich bin so nah am Establishment, dass …
H: Nein, ich meine in deiner Arbeit. Distanz schaffen bedeutet auch, sich abzugrenzen und aus der Geschichte herauszunehmen. Wie offen ist bei dir der Interpretationsraum für den Leser angelegt? Wie bewahrst Du deine Fragmente davor, banal zu werden? Hast Du eine kritische Distanz zu deiner Arbeit?
P: Distanz? Ja, ich glaube schon, ich weiß nicht, ob das für mich …
H: Möchtest Du weitermachen?
P: Oh, ich versuche nur die Fragen zu beantworten…mach ruhig weiter. Aber vielleicht … willst Du mir damit sagen, dass … ? Nein, ist ok … ich wollte nicht immer und immer weiter reden.
H: Wie steht es um die Distanz zu deiner Arbeit?
P: Naja, meine Arbeit…ich wollte sagen, da ist nichts Persönliches drin, aber noch nicht mal so etwas wie ein bestimmendes Prinzip. Es ist noch nicht einmal etwas, falls das möglich ist, expressives, selbst das…es ist einfach, ohne Hochs und Tiefs und all möglichen distanzschaffenden…Affekte. Selbst wenn sie politisch ist, ist sie nicht … ich habe keinen sehr scharfen, aufrichtigen Stand der Politik gegenüber, weil der Einfluss der Künstler sowieso seine Grenzen hat. Wenn es irgend einen Effekt, Dinge zu verändern, zu beeinflussen zum Nachteil der Kunst hat…die Vorstellung, etwas anderes zu tun, ich meine, es gibt…wenn es darum geht, dann gibt es dafür bessere Dinge als Kunst.
H: Glaubst Du … ja, ich fange mit dem Text an … möchtest Du ihn mal sehen?
P: Was ist das, oh, dein Buch!
H: Ja, wenn Du möchtest, kannst Du mal reinlesen …
P: Aber hast Du denn noch Kopien davon?
H: Ja, sicher. Ich habe ihn auf meinem Rechner. Wenn Du magst, kannst Du es lesen …
P: Oh, das Deutsche … Du meinst das Deutsche?
H: Nein, das Englische! Meinst Du, wir können für die Unendlichkeit zeichnen?
P: Ja, aber erkläre das doch erstmal.
H: Können wir uns die Unendlichkeit erzeichnen? Wenn man Zeichen und Formen wiederholt, verzichten diese durch die Wiederholung auf ihre einzelne Identität. Gelingt es uns damit ein höheres kollektives Wesen aufzubauen? Kann eine sogenannte Physik der Psyche als Technik der Kunst gesehen werden? Begründet sich eine gute Arbeit darin, dass gewisse Faktoren konstant sind? Ist dein Gesamtwerk in sich additiv? Es fällt einem schwer sich sin der Masse deiner Zeichnungen zu orientieren. Die Fülle des Ganzen, die sich aus unendlich vielen Einzelteilen zusammensetzt, schafft ein großes Bewegungsmoment. Dieses zieht eine merkwürdige Starre in jede einzelne Zeichnung. Nehmen wir deine Arbeit als Beispiel. Du hast eine Ausstellung mit vielen Zeichnungen, die nebeneinander hängen. Zwischen den Zeichnungen sind Leerräume, da ist nichts. In dieser Leere stehen die Verbindungen von den Geschichten. Wie sie verbunden sind, ist das Zufall? Oder trifft man eine bestimmte Auswahl, wenn man die Arbeiten aufhängt?
P: Manchmal ja, aber manchmal nein.
H: Wenn Du die Zeichnungen siehst, deine Bilder an der Wand, befindet sich dazwischen nichts. Es funktioniert ein bisschen wie Geschichtenerzählen. Zu Beginn steht die Assoziation. Meinst Du, wir können die Unendlichkeit zeichnen? Wenn ich die Arbeit von Walter Obholzer sehe, sehr filigran und elegant, da ist viel „dazwischen“. Wenn wir so etwas wie einen großen „kollektiven Gedanken“ in einer Zeichnung haben, meinst Du, wir kommen der Unendlichkeit näher?
P: Ich denke, es geht wohl in diese Richtung. Man kommt jedoch nie an, meine ich. Alles ist immer nur in Schritten und Eventualitäten…und, was für ein endgültiges Ziel gibt es, ich weiß es nicht?
H: Glaubst Du, wir können die Liebe zeichnen? Für die Menschen?
P: Die Liebe zeichnen?
H: Ja. Wenn ich deine Arbeit sehe, finde ich sie in sich sehr dualistisch. Es ist schwer zu erklären. Aber in deiner Arbeit, da gibt es so etwas wie ein dualistisches Prinzip. Als hätte man ein Plus-Minus System …
P: Manchmal…ich mag es, eine lyrische Offenheit beizubehalten, im Idealfall. Wenn es so dualistisch ist,…keine von diesen beiden ist oder nur selten, mein eigener Standpunkt. Es ist so aufgebaut wie … man könnte sagen, wie eine Dialektik. Es soll eben nicht so direkt verstanden werden. Da ist keine Programmatik oder …
H: Also ist es kein geschlossenes, hermetisches System?
P: Nein.
H: Du hast kein System?
P: Nein.
H: Wie wichtig ist der Zufall in deiner Arbeit?
P: Wie wichtig er ist?
H: Ja. Du nimmst einen Text und kombinierst ihn und …
P: Alles, was Du sagst, wie der Zufall, Assoziation, ja, das ist ein wesentlicher Teil davon. Ich glaube, wenn ich diese Dinge erkläre, dann ist es oft so, Leute fassen es zu sehr so auf, dass es Willkür sei, oder dass diese Assoziationen sich einfach selbst überlassen sind. Das kann bis zu einem gewissen Grad so sein, aber… zum einen, ich weiß nicht, manchmal nehmen die Leute an, dass ich mir die Dinge einfach so ausborge und…in Wirklichkeit gibt es… es hängt davon ab, zum Teil…der Großteil meiner Arbeit…manchmal ist es wörtlich, davon gibt es auch Elemente, aber zum größten Teil ist es einfach nur niedergeschrieben…mein Eigenes. Nicht, dass es mir eigen ist. Es ist viel Lyrik, von ihr gibt es viele Elemente. Und das ist ein Teil meiner Arbeit, den ich nicht verlieren möchte …
H: Du verbindest das figurative Moment mit dem verbalen Mittel. Bist Du, als Künstler, vielleicht so etwas wie ein Detektiv? Wie würdest du deine persönliche Form von Detektivismus in Bezug auf das Finden inhaltlicher Arbeitsprinzipien beschreiben? Vergleichen wir die Zeichen des Verbrechens mit den Zeichen des Kunstwerks. Der Künstler überführt das Alien wie der Detektiv den Verbrecher. In der Rekonstruktion des Falles wird für den Detektiv der Zufall zum Zeichen. Inwieweit beeinhalten die Zeichen deines Kunstwerkes die Zeichen des Zufalls? Das Zufallsprinzip scheint, wenn man deine Bilder sieht, ein Arbeitsprinzip zu sein. Eignest du dir auf ähnliche Weise die Texte an, die der Betrachter in zufälliger punktueller Reihenfolge zu lesen bekommt?
P: Naja, sagen wir jemand, der immer Dinge entlehnt. Es wird wie eine Art Bearbeitung, ein Bearbeitungswerk, Collage. Und das, mit der Zeit, natürlich, das wird dann etwas Persönliches, eigenes, wie alles, von jedem anderen. Jeder Schriftsteller, sie benutzen das gleiche Keyboard, die gleichen 26 Buchstaben, was auch immer, ich meine, Sprache ist da etwas anders. Selbst das ist eine Mischung aus Systemen von … Zeichen.
H: Ok, soll ich dir das Interview vielleicht schicken?
P: Wofür ist das Interview? Die kurze Version, oder … ?
H: Naja, eigentlich ist das hier die Kurzversion von dem hier, dem Text.
P: Du meinst, ich soll Fragen schriftlich beantworten?
H: Nein, ich meinte, dass ich dir den Text schicke. Unsere Unterhaltung. Ich kann sie dir schicken, falls Du sie lesen möchtest. Ich glaube, es ist ein guter Anfang. Könntest Du mir ein Taxi rufen?
P: Ja. Also Du fährst nach …
H: Nach Downtown.
P: In LA? Ich dachte, Du hättest Hotels gewechselt …
H: Nein, mein Hotel ist in Downtown LA.